Seit Wochen protestieren selbsternannte „Corona-Rebellen“ und Andere auf sogenannten „Hygiene-Demos“. Mit dabei sind Verschwörungs-theoretiker*innen, bekannte Neonazis und andere Verrückte. Auch diesen Samstag ist für die Theresienwiese wieder eine Kundgebung mit 1000 Leuten angemeldet. Der Reflex, gegen die Einschränkungen der Grundrechte zu demonstrieren, ist erstmal verständlich. Aber so..? Wir haben zu dem Thema mal ein paar Zeilen geschrieben…
Wenn man versucht, den Sinn hinter den Maßnahmen der Regierung in der Corona-Krise zu erkennen, dann fällt einem das nicht leicht. Noch im Februar wurde uns erklärt, Schutzmasken würden gar nichts bringen. Heute wird man bestraft, wenn man im Supermarkt keine trägt. In Bayern wurde es verboten, auf einer Parkbank zu sitzen oder FreundInnen zu treffen, viele große Firmen ließen dagegen ihre Produktion weiterlaufen. Versammlungen wurden verboten, die Spargelernte musste stattfinden. Die Maßnahmen haben deswegen keinen Sinn ergeben, weil die Regierung die Wirtschaft immer über die Interessen der Bevölkerung gestellt hat. Die Produktion fährt schneller hoch als die Biergärten öffnen können. Abitur wird geschrieben, auch wenn viele zuhause nur beschissene Lernbedingungen hatten. Versammlungsrecht bleibt eingeschränkt, während in U-Bahnen und Zügen sich wieder immer mehr Menschen drängen müssen, um zur Arbeit zu kommen.
Bill Gates & Co.
In einer Welt, wo 26 Menschen so viel Vermögen besitzen wie die Hälfte der Menschheit, kann keine Demokratie herrschen. Großkonzerne und einzelne KapitalistInnen haben einen Einfluss, von dem manch kleineres Land nur träumen kann. So entscheidet Bill Gates (im Besitz von 98 Milliarden Dollar), dass er lieber in Impfstoffe investiert als in Gesundheitssysteme und prägt damit die Lobby-Politik der WHO. Wer aber hinter den ganzen Corona-Maßnahmen Bill Gates vermutet, ist auf dem Holzweg. Daran, dass die Bundesregierung auf Menschen scheißt und die Wirtschaft versorgt ist nicht einfach Bill Gates Schuld. Um in der globalen Konkurrenz bestehen zu können müssen die kapitalistischen Staaten ihre Produktion aufrecht erhalten. Wer meint, die Bundesregierung sei von außen kontrolliert, unterliegt einem Fehler: Diese Regierung hatte nie unsere Interessen im Auge, die Corona-Krise zeigt es nur erneut. Wer meint, dass diejenigen, die die Welt kontrollieren, sich im Dunkeln verstecken würden, der irrt. Die Chefs, die uns ohne Schutzmaßnahmen zur Arbeit zwingen, stehen für alle sichtbar.
Meine Freiheit? Deine Freiheit?
Nach dem Verhängen umfassender Ausgangsbeschränkungen ist der Ruf zur Wiederherstellung der Freiheitsrechte im ersten Ansatz sicherlich nicht verkehrt. Jedoch bleiben bei den sogenannten „Hygiene-Demos“ oder „Demos für die Grundrechte“ Themen wie der Einsatz der Bundeswehr im Inneren oder das Polizeiaufgaben-Gesetz unerwähnt. Dass diese Maßnahmen einen massiven Einschnitt in die Freiheit des Menschen darstellen, wird komplett ausgeblendet. Würde man mal genauer hinschauen, erkennt man nämlich, worum es dabei geht: um die konkrete Eindämmung von Aufständen, die in Krisenzeiten eine reale Bedrohung für die Kapitalisten werden. Wenn wir nicht von diesen Eingriffen in die Freiheit reden, um welche Freiheiten geht es bei den Hygiene-Demos denn dann? In der Mehrzahl begegnen uns auf den Demos Menschen, die keine Lust haben beim Einkaufen eine Maske zu tragen, wieder ins Yoga-Studio gehen wollen oder sich ihren Sommerurlaub nicht nehmen lassen wollen. Diese individualistische Herangehensweise an Freiheitsrechte kann nicht zu einer kollektiven Befreiung der lohnabhängigen Klasse führen.
Widerstand, aber richtig!
Sicher treibt den ein oder anderen Teilnehmer der „Hygiene-Demos“ die Angst um seine ökonomische Existenz um. Seit Ausbruch der Pandemie in Deutschland meldeten 76 000 Unternehmen Kurzarbeit an. Dies betrifft bis zu 8 Millionen Kolleginnen und Kollegen. Bei manchen reicht schon der volle Lohn kaum zum Leben. Dass das Kurzarbeiter-Geld zur Vernichtung von Existenzen führen wird, ist vorhersehbar. Liest man dann von Staatshilfen in Milliardenhöhen für Konzerne, deren Aktionäre gerade darüber meckern, dass die Dividenden-Ausschüttung nicht so hoch wie im vergangenen Jahr sein wird, kann man ruhig mal sauer werden. Auch die durchgesetzten Arbeitszeitverlängerungen für Beschäftigte in den gesellschaftlich notwendigen Bereichen zur Abfederung des kaputt gesparten Gesundheitssektors müssen wütend machen. Gegen diesen Angriff auf die Arbeitsbedingungen gilt es offensiv Widerstand zu leisten und zu organisieren. Doch das organisierte Aufzeigen dieser Zustände und den klassenkämpferischen Ausdruck gegen die kapitalistische Ordnung, die uns in unwürdige Arbeitsverhältnisse zwingt, suchen wir auf den „Hygiene-Demos“ vergeblich.
Kein Schulterschluss mit Rechten und Nazis
Dafür haben wir umso häufiger AnhängerInnen des rechten Spektrums antreffen können, die auf die gesellschaftliche Unzufriedenheit und Ängste scheinbar einfache Lösungsansätze präsentieren. Von Trägern mit Logos der terroristischen und verbotenen „Blood and Honour“-Gruppierung, zu Mitgliedern der faschistischen Partei des Dritten Wegs, rechter gewaltbereiter Hooligans und der rechtspopulistischen AfD tummelte sich einiges aus dem braunen Spektrum. Was sie alle eint, ist die Sündenbock-Ideologie aus Antisemitismus und hetzerischem Rassismus, die allem Nicht-Arischen die Schuld an den Zuständen zuschiebt. Wer sich mit diesen offen Rechten und Nazis zum Demonstrieren auf einen Platz stellt muss sich die Frage gefallen lassen, für was für Freiheitsrechte hier gemeinsame Sache gemacht wird. Hat uns nicht die Geschichte gelehrt, wie menschenverachtend der Faschismus ist? Meinungsfreiheit kann nicht für Rechte und Faschisten gelten. Auch der VeranstalterInnen-Kreis musste sich intern der Debatte stellen, ob Rechte geduldet werden. Der jetzt verbliebene Kern sah keine Notwendigkeit, eine antifaschistische Position einzunehmen und tummelt sich fröhlich weiter in Querfront-Manier, nach dem Motto „Rechts, links, alles egal“, auf den Kundgebungen. Ein anderer Teil des ursprünglichen Kreises hat keinen Bock auf Nazis und bietet nun alternative Veranstaltungen an.
Für eine wirklich befreite Gesellschaft!
Der Kampf um kollektive Freiheit, eine Gesellschaft, in der jeder sein Leben nach seinen Bedürfnissen gestalten kann, kann nicht mit einfachen und plumpen Parolen bestritten werden. Die Gesellschaft funktioniert viel komplexer und vielschichtiger, als dass sie mit einfachen Mustern erklärt werden kann. Es sind keine unsichtbaren, unerreichbar dunklen Mächte, die alles steuern. Die besitzende Klasse ist ein realer Gegner, also müssen wir auch reale Kämpfe führen. Dass sich einige wenige an der Ausbeutung vieler anderer bereichern, ist kein Geheimnis sondern ein allgemeingültiges Prinzip der herrschenden Verhältnisse. Und dieses Prinzip lösen wir nicht auf, indem wir hohle Phrasen dreschen oder meditieren, sondern indem wir uns organisieren. Gegen die KapitalistInnen, die Manager in den Chefsesseln und gegen ihre Lobbys. Geholfen ist uns auch nicht mit Neuwahlen, denn eine neue Regierung bedeutet nur eine neue Verwaltung für das Kapital, das diesem ermöglicht, auf unserem Rücken Profit zu machen. Kämpfen wir gemeinsam für eine Änderung der Verhältnisse. Für eine Freiheit aller Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe, Kultur, Religion oder sexuellen Orientierung.