„Es ist nicht in Worte zu fassen, wie seit geraumer Zeit dieser Konflikt auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen wird. Immer wieder haben wir das Nachsehen. Sollte es wirklich so sein, dass diese Situation dann auch noch ausgenutzt wird um uns wirklich abzusägen, dann fehlen mir in der Tat die Worte um dieses scheußliche Spiel zu beschreiben.“
Als sich abzeichnete, dass die Coronakrise auch in Deutschland erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben würde, war der Lufthansa-Konzern einer der ersten, die staatliche Unterstützung verlangten. Parallel dazu rief Chef Carsten Spohr am 13.3. die Mitarbeiter*innen „zu Solidarität und Verzicht“ auf. Letzte Woche wurde bekannt, dass der deutsche Staat mit einer Milliarde Euro für den seit 1997 privatisierten Konzern einspringt.
Und nun kommt der Hammer: unter dem Deckmantel der Krise plant Lufthansa nun anscheinend, die 100%ige Tochter „Germanwings“ abzuwickeln, und die 1400 Mitarbeiter*innen zu entlassen. Zu großer Kostenfaktor (d.h. zu gute Arbeitsbedingungen), zu kämpferisch – die Germanwings-Belegschaft ist dem Konzern schon seit langem ein Dorn im Auge. Der Plan des Konzerns ist die Fluglinie zu schließen und die Mitarbeiter*innen zuerst zu entlassen und dann nur teilweise bei der neuen Marke „Eurowings“, zu deutlich schlechteren Konditionen, wieder einzustellen. Die Abwicklung und Aufstellung eines Sozialplans (Vorraussetzung für die Schließung von Konzernteilen bei Vorhandensein eines Betriebsrats) ist aber bisher an Tricks und Finten der Konzernleitung gescheitert – und an der Weigerung der Gewerkschaften, sich auf schlechte Abschlüsse für die Beschäftigten einzulassen.
Nun soll die aktuelle Krise genutzt werden, Germanwings „durch die Hintertür“ loszuwerden. Und das, während gleichzeitig Staatshilfen kassiert werden, die ja angeblich Entlassungen verhindern sollen. Wie das geht? Auch hierfür hat die Konzernspitze einen Trick parat. Für den gesamten Konzern wurde Kurzarbeit angemeldet – außer für Germanwings. Die Gewerkschaften UFO und Vereinigung Cockpit hatten darauf bestanden, dass die konzernweite Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90% auch für die Beschäftigten bei Germanwings gilt. „Angesichts der kritischen wirtschaftlichen Situation bei der Tochter könnten die für Lufthansa vereinbarten Konditionen bei Germanwings nicht dargestellt werden“, teilte die Geschäftsführung mit und verweigerte daraufhin das Beantragen von Kurzarbeitergeld für Germanwings und schob das Scheitern der Verhandlungen dem Betriebsrat in die Schuhe. Gleichzeitig wurde eine mögliche Schließung des Betriebs angedroht. Die Mitarbeiter*innen fühlen sich nun zum Abschuss freigegeben. Sowohl Betriebsrat als auch Beschäftigte erfuhren von der drohenden Schließung nur durch die Presse. Die endgültige Entscheidung aus der Lufthansa-Chefetage wird für Dienstag erwartet.
Die Beschäftigten versuchen nun mit aller Kraft Öffentlichkeit für ihre Lage zu schaffen und ihren Protest sichtbar zu machen. Daher der Aufruf: Teilt die Geschichte, schreibt Protest-Mails an Lufthansa, werdet kreativ…
Proteste unter dem Hashtag #WeAreGermanwings
Im Folgenden dokumentieren wir Berichte von Germanwings-Beschäftigten, die unserem Aufruf nachgekommen sind, uns ihre persönliche Situation zu schildern. Danke an Alle und viel Kraft für die kommenden Tage!
Ihr seid nicht alleine! Wehren wir uns gemeinsam, damit die Krise nicht auf unserem Rücken ausgetragen wird! Als Klasse kämpfen!
“Ich bin Germanwings” und das seit 2005! Ich bin mit der Germanwings die ganzen Jahre immer wieder durch alle Höhen und Tiefen gegangen.
Ich finde gar keine Worte dafür, was der Lufthansa Vorstand und die Aktionäre jetzt mit uns vor haben! Ich bin fassungslos und entsetzt über so viel Skrupellosigkeit, ausgerechnet jetzt, da die Lage eh schon fatal ist.
Der Lufthansa Konzern verfügt über ausreichend liquide Mittel, 5,1 Milliarden Euro und Flugzeuge im Wert von 10 Milliarden Euro (lt. Billanzvorlage von Carsten Spohr am 19. März 2020), beantragt dennoch finanzielle Hilfe vom Staat, schlägt aber gleichzeitig die Möglichkeit zur Kurzarbeit bei Germanwings aus. Dabei könnte er dadurch immense Lohnkosten einsparen, setzt uns aber lieber vor die Tür!
Ich appelliere an die Bundesregierung: Lassen Sie das nicht zu!“
„Ich fliege nun seit 5 Jahren für Germanwings, seit Tag eins durfte ich einen tollen Kollegenzusammenhalt erleben. Spürbar war aber auch immer, dass wir in der Lufthansa Gruppe nicht mehr gewollt sind und durch eine neue Marke ersetzt werden sollen. Bis heute haben wir es mit viel Ehrgeiz, Zusammenhalt und Stärke geschafft weiterzufliegen. Herr Spohr dachte wohl er wird uns leichter los! Ein bereits verhandelter Sozialplan für den Fall der Fälle wurde nur unterschrieben, um die Mitarbeiter in Sicherheit zu wiegen und um ihn dann einige Zeit später für ungültig zu erklären. Um Verhandlungen zu boykottieren, wurde sich geweigert mit der Mehrheitsgewerkschaft UFO Gespräche zu führen. Vor kurzer Zeit betonte Herr Spohr noch, dass Lufthansa die momentane Krise zusammen überstehen werde, nur wenige Tage später wird den Germanwings Mitarbeitern in einer Pressemitteilung mit der Schließung der Germanwings gedroht! Bis heute haben wir dazu keine Stellungnahme unserer Geschäftsführer erhalten und werden mit dieser Drohung allein gelassen.
Die jetzige Krise für einen lange geplanten Schachzug zu nutzen, zeigt nur wieder wie kalt und machtgierig der Lufthansa Vorstand handelt.“
„Mir macht Corona Angst – ich halte mich an alle Vorgaben um meine Familie und meine Mitmenschen zu schützen, der Manager meines Unternehmens ist furchtlos und nutzt Corona um auf Steuerkosten und mit Milliarden-Hilfspakete seine Pläne durchzudrücken, die er seit Jahren in der Schublade hatte. Unter normalen Umständen hätte Ihn diese Umstrukturierung viel Geld gekostet unter dem Corona-Deckmantel bekommt er noch Geld oben drauf. Wir sprechen von keinem kleinen Handwerkerunternehmen, sondern von einem DAX notierten Unternehmen, das trotz Corona 2020 voraussichtlich schwarze Zahlen schreiben wird.
Soziale Verantwortung kennt er nicht, er möchte einen Teil seiner Belegschaft in der schlimmsten wirtschaftlichen Krisen seit dem 2. Weltkrieg nicht schützen, Sie vor die Tür setzen.
Danke Herr Spohr, während die komplette Republik zusammen steht, Menschen sich helfen, über Ihre persönliche Grenzen gehen, Eingeständnisse machen und zurück stecken, Kinder Ihre Großeltern und Freunde wochenlang nicht sehen, um die Allgemeinheit zu schützen, in der Zeit fällt Ihnen nichts besseres ein als Ihre Mitarbeiter vor den Abgrund Ihrer beruflichen Existenz zu stellen und Familien in Krisen zu stürzen anstatt soziale Verantwortung zu zeigen.“
„Ich bin jetzt seit 13 Jahren Flugbegleiterin und seit 5 Jahren bei Germanwings und glücklich und dankbar diesen Arbeitgeber nach Umwegen über Pleiten Pech und Pannen gefunden zu haben. Ich habe die Insolvenzen bei Blue Wings, Hamburg international und Hamburg Airways mitmachen müssen.
Bei Germanwings hatte ich trotz der immer unruhigen Jahre über unsere Zukunft, stets das doch recht gute Gefühl dass wir nicht auf der Straße stehen werden. Dass es Veränderungen für uns bedeuten kann und vielleicht auch Verschlechterungen, aber dass es trotzdem eine Lösung gibt.
Es ist für mich absolut unverständlich wie wir zu so einer großen Firma (Lufthansa) gehören können und uns nun aber der Verlust des Arbeitsplatzes droht. Da hängen Existenzen dran, es gibt Kollegen die sich gezwungen sehen nach einer günstigeren Wohnung zu suchen, Kollegen die Eigenheime haben und somit natürlich auch hohe Fixkosten, es gibt Kollegen die eine Familie gründen wollen oder gegründet haben und somit auch für mehr Personen als nur für sich selbst „verantwortlich“ sind.
Germanwings ist eine Familie. Wir halten immer zusammen, auch befristete Kollegen werden bei Verhandlungen nicht „vergessen“, wir machen Tag für Tag einen super Job auch wenn es immer mal wieder schwierigere Tage gibt. Wir sind immer für die Gäste da.
Für mich, und für viele andere, würde aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage, eine Schließung der Germanwings zum Ende der eigenen fliegerischen Laufbahn führen. Und das möchte ich nicht! Ich möchte nicht aufhören! Ich möchte keinen anderen Beruf ausüben!“
„Für mich ist die Fliegerei das absolut Größte und es ist mehr eine Berufung, als ein Beruf. Ich liebe meinen Job seit 5 Jahren von Herzen und habe nichts, was ich stattdessen machen möchte. Bitte lasst uns weiterhin bei Germanwings fliegen!“
„Hilflosigkeit, Existenzangst. Ich lebe mit meiner Tochter allein und bin quasi der Ernährer. Ich habe 2 Töchter, eine ist schon ausgezogen. Aber auch sie ist von Kurzarbeit betroffen und ich greife ihr so gut es geht unter die Arme. Wir bekommen keinen Unterhalt oder anderweitige Unterstützung. Dieses gefühlte im Stich gelassen werden ist unerträglich. Zumal ich meinen Job liebe. Ich hoffe so sehr, dass noch ein Wunder geschieht…“
„Verständlicherweise haben in der aktuellen Corona Situation unfassbar viele Menschen Existenzängste auf Grund von Kurzarbeit oder sogar Insolvenzen. Doch es gibt einen Unterschied zwischen den Ängsten eines Arbeitnehmers, dessen Firma mit allen Mitteln versucht zu überleben und denen eines Mitarbeiters, dessen Firma seit Jahren mit allen Mitteln versucht, aufgelöst zu werden… denn Hoffnung ist das, was uns momentan Allen eine große Stütze sein sollte. Doch wenn diese schon verloren scheint, man gezwungenermaßen ohne großartige Ablenkungsmöglichkeiten zu Hause allein oder mit seiner Familie sitzt und sich fragt, wie man seine Zukunft unter solchen Voraussetzungen meistern soll, macht es die bedrückende Situation noch unerträglicher.“
„Gerade die Germanwings ist eine familiäre Airline, wo unter anderem auch viele Mütter und Väter arbeiten, die zB. auf Grund von langer Elternzeit bei einer Insolvenz schlechtere Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung haben, um die Zeit der Arbeitslosigkeit zu überbrücken oder es sind sogar beide Teile betroffen. Da steht nicht eine Person vor der Arbeitslosigkeit sondern eine ganze Familie.“
„Carsten Spohr ist der lebendig gewordene Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens‘ Erzählung „Eine Weihnachtsgeschichte“: voller Kälte, geizig und habgierig.“
„Ich muss echt sagen, ich finde es von Seiten der LH vollkommen daneben sowas in so einer Zeit zu bringen…
Es heißt immer in der Krise rücken Familien zusammen: Wir, als GWI, als Tochter, haben immer ausgeholfen und den Karren aus dem Dreck gezogen, haben der EW, unserer Schwester, im ersten Sommer in dem sie unser Konzept übernommen hat, den Arsch gerettet – haben zahllose Dienstplanänderungen in Kauf genommen um Flüge der EW zu übernehmen und somit die Passagiere zu befördern, die sonst gestrandet wären und Unmengen an Kosten verursacht hätten. Wir haben das gemacht weil man sich als Familie gegenseitig aushilft, wir haben es vielleicht nicht immer ohne zu murren gemacht, aber es war klar, dass wir helfen. Wir haben Sparmaßnahmen mitgemacht und den Passagieren gegenüber alles geduldig erklärt, haben alles geschluckt und mitgemacht, haben das immer schlechter werdende Produkt verkauft und immer mehr von uns aufgegeben um in die neue Vision der Familie zu passen. Wir haben ein komisches Gefühl dabei gehabt die EW groß zu machen, weil wir uns bewusst waren, dass es uns irgendwann gefährlich werden könnte und trotzdem haben wir geholfen, weil uns immer kommuniziert wurde „wir sind eine Familie“. Leider wird uns genau in dieser, ohnehin schon schwierigen Situation wieder bewusst, dass wir schon seit langem einfach nur das ungeliebte Stiefkind sind, dass sich abmüht und um seinen Platz in der Familie kämpfen muss. Als würde es nicht reichen, dass man in dieser Kriesenzeit sowieso schon überlegt wie man mit dem Kurzarbeitsgehalt wirtschaftet und sich Sorgen macht wie lange der Zustand anhält und wie es nach der Krise weitergeht, wird einem dann auch noch so ein Hammer serviert und das von der eigenen Familie… #wingsfamily-myass“
„In der jetzigen Situation Teile seiner Belegschaft so derart unter Druck zu setzen und ein, wahrscheinlich bereits in der Schublade vorbereitetes Szenario, in der Presse zu veröffentlichen, zeugt von „null“ Charakter.
Letzte Woche hat Herr Spohr noch ein Motivationsvideo veröffentlicht, wo es hieß: „In der Krise hält die Lufthansa Group zusammen!“
Vorgestern dann der hinterhältige Todesstoß in den Rücken, durch die Presse.
Einfach widerwärtig und Menschenverachtend. Eine Corona Entschuldigung lasse ich nicht gelten!“
„Die Germanwings war die Konstante im anfänglichen Eurowings Chaos. Die Kollegen haben einen unglaublichen Teamspirit und die Kundschaft war zufrieden.
Take care of your employees and they will take care of your Business. It’s as simple as that. – Richard Branson-
Das Lügen eines LH Vorstands, es gäbe keinen ausgehandelten Kurzarbeit Vertrag für eine 100 % Tochtergesellschaft wie es die GWI ist, ist der Gipfel der Unverschämtheit.“
„Wir sind unglaublich fassungslos und traurig, uns in dieser Krisenzeit medial damit zu drohen uns den Rücken zu zukehren und unsere Arbeitsplätze zu vernichten. Ich bin seit über 10 Jahren bei Germanwings und möchte dies auch unbedingt die nächsten 10 weiteren Jahre sein.“
Quellen: