Was uns in letzter Zeit beeindruckt hat ist die Entlastungsrunde der Beschäftigten von Charité und Vivantes, sowie der Beschäftigten der Töchter von Vivantes.
Angesichts der immer schlimmer werdenden Kommerzialisierung und der chronischen Unterbestzung ist die Qualität der Versorgung und Behandlung von Patient:innen in Gefahr! Meist ist nur Zeit die Symptome zu mildern, eine Erstversorgung durchzuführen und die ganzheitliche Betrachtung des Menschen geht verloren. Das liegt zum einen an der Unterbesetzung, Überarbeitung der Pflegenden und zum anderen an den diagnosebezogenen Fallpauschalen. Das sind alles Folgen der Profitlogik im Gesundheitssystem. Geld ist wichtiger als eine adäquate Personalbesetzung!
Die Fehlentwicklungen werden auf die Pflegekräfte abgewälzt. Sie bekommen einen Hungerlohn obwohl sie gerade jetzt während einer globalen Pandemie Superkräfte entwickelten, um die Gesundheitsversorgung aufrechtzuhalten. Und was macht die Chefetage und die Politik? Nichts. Menschen die vom Kapitalismus profitieren und eh schon Unmengen an Geld haben, werden noch reicher. Die “Ampelkoalition“hat angekündigt das Fallpauschalensystem sogar noch auszuweiten.
Bereits vor Corona haben viele Pfleger:innen aufgrund der Belastung dem Beruf den Rücken gekehrt. Diese Entwicklung wurde durch die Pandemie kurzzeitig verzögert, da viele Kolleg:innen, die innerlich bereits abgeschlossen hatten, in der Ausnahmesituation ihre Kolleg:innen nicht im Stich lassen wollten. Dafür verlassen jetzt umso mehr Pflegekräfte den Beruf, auch gerade weil es keine Anerkennung für ihren Einsatz gibt. Der #pflexit ist Realität und es wird nur noch schlimmer.
Und genau dagegen sind die Pflegekräfte in Berlin aufgestanden, haben sich organisiert und für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft gemeinsam mit ihren Kolleg:innen von Vivantes. Die ersten Anfänge gab es bereits im Frühjahr, richtig an die Öffentlichkeit ging die Berliner Krankenhausbewegung dann im Mai, als über 600 Team-Delegierte ein 100-Tage Ultimatum an die Klinikleitung und die berliner Landespolitik beschlossen. Nach dessen Ablauf kam es zur nächsten Eskalationsstufe, als Ende August kurz Warnstreiks ausgerufen wurden, begleitet von einer großen Demonstration mit über tausend Teilnehmer*innen.
In dieser Phase bemerkte die Arbeitgeber:innenseite wohl, dass sie handeln musste. So versuchte Vivantes von Anfang an den Streik zu verhindern, etwa mit einer rechtlichen Verfügung, die aber vom berliner Landesgericht wieder kassiert wurde. Diese Entwicklung gab der Streikbewegung noch mal einen richtig Schub und führte zu einer „jetzt erst recht“-Stimmung. Die folgende Stufe der Erzwignungsstreiks dauerte fast fünf Wochen und für die Töchterunternehmen sogar noch länger. Die Ergebnisse für die Pflege sind sehr gut, mit einem Schicht genauem Pflege-Patient:innen-Verhältnis für so gut wie alle Stationen. Bei Unterschreitung bekommen die betroffenen Pflegekräfte einen sogenannten Belastungspunkt und nach fünf solcher Belastungspunkte das Recht auf eine Freischicht. Dadurch soll der Arbeitgeber gezwungen werden, entweder Betten zu schließen, oder eben mehr Pfleger:innen einzustellen. Für die Töchter wurde ein respektables Ergebnis erziehlt, dass vielen der Beschäftigten hilft ihre prekäre Situation deutlich zu verbessern. Dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmackt, da die endgültige Angleichung an den TVöD nicht erreicht wurde und die Politik, die vormals sich als große Unterstützung der Berliner Krankenhausbewegung inszinierten jetzt plötzlich nichts mehr davon wissen wollten. Dieser Verrat zeigt mal wieder, dass die Regierenden des bürgerlichen Staates nie auf Seiten der Arbeiter:innen steht.
Es gibt aber auch positives zu bemerken. So ist eine Abkehr der Vertretungspolitik auf Gewerkschaftsseite zu erkennen. Mit der Struktur der Team-Delegierten haben die Beschäftigten eine ganz neue Machtpostion. So können sie einerseits ihre Kompetenz und Sachkenntnis in den Verhandlungen gegenüber dem Arbeitgeber einbringen und gleichzeitig sind sie de facto die Entscheidungsinstanz über ihr Ergebnis und können so die Gewerkschaftsfunktionär:innen vor sich hertreiben.
Außerdem ist der Aspekt der Solidarität bemerkenswert in verschiedener Hinsicht. So haben Pflege und Funktionsbereich an einem Strang gezogen. Und auch aus der Zivilbevölkerung kam Unterstützung. So kamen auf die größte Demonstration über 5000 Leute u.a. von „Deutsche Wohnen enteignen“. Und angesichts der langen Zeit des Streiks gab es den Aufruf mit Spenden die Angestellten der Töchter zu unterstützen. Innerhalb kürzester Zeit kamen über 30 000€ zusammen.
Die Berliner Krankenhausbewegung hat uns gezeigt – Kämpfen lohnt sich! Eine bessere Versorgung ist nur möglich, wenn wir uns organiseren und gemeinsam kämpfen!