Wir teilen hier mit euch einen Aufruf zu einem Aktionstag des Aktionsbündnis 8. März aus Stuttgart. Auch wir in München werden uns daran beteiligen. Am kommenden Samstag können Frauen bis 14 Uhr Bilder von Transparenten an das Aktionsbündnis in Stuttgart senden oder unter dem Hashtag #jetzterstrecht teilen. Ab 15 Uhr treffen wir uns dann zu einer Online-Demoroute: Die Route wird im Laufe der Woche vom Aktionsbündnis 8. März geteilt. Wir ergänzen sie dann hier.
Der ganze Aufruf:
Wir Frauen* sind von der Corona-Krise und ihren sozialen Folgen besonders betroffen.
Nicht nur ökonomisch bekommen wir die Folgen besonders zu spüren und das obwohl viele Frauen* gerade im Gesundheitswesen und Lebensmitteleinzelhandel die Gesellschaft am Laufen halten. Wir spüren die Folgen auch an unseren Körpern: „Stay at Home“ kann für viele Frauen* tödlich enden, da häusliche Gewalt nachweislich in der Isolation zu Hause steigt. Auch das Leben von ungewollt schwangeren Frauen* ist in Gefahr, da es fast unmöglich geworden ist Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.
Die Bewältigung der Corona-Krise darf nicht auf unsere Kosten gehen! Ein Zurück zu der Normalität vor Corona ist für uns keine Option, denn diese Normalität bedeutete für uns doppelte Ausbeutung, zu Hause und im Job, Gewalt und Entmündigung.
• Am 8. März haben wir zu einem Streik der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit aufgerufen. Denn Frauen* arbeiten 1,5 mal so viel unbezahlt im Haushalt als Männer. Das führt zu einer ökonomischen Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Der Gender Pay Gap beträgt 21%. Mit dieser Zahl wird aber das Ausmaß der Ungleichheit nicht erfasst: Frauen* verdienen im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 50% weniger als Männer. Seit am 16. März zum Infektionsschutz alle Schulen und KiTas geschlossen wurden, bleibt der zusätzliche Betreuungsbedarf wieder an uns Frauen* hängen. Viele Frauen* versorgen jetzt ihre Nachbar*innen, Eltern und andere Menschen, die einer Risikogruppe angehören ehrenamtlich. Der Staat verlässt sich einmal mehr darauf, dass Frauen* unbezahlt Sorgearbeit übernehmen. Die Krise zeigt, wie wichtig es ist, dass hier nicht nur ein Umdenken stattfindet, sondern unbezahlte Sorgearbeit endlich umverteilt und auch jenseits der Kleinfamilie organisiert wird.
• Im Gesundheitswesen und im Lebensmitteleinzelhandel sind über 75% der Beschäftigten Frauen*. In den letzten Wochen wurde deutlich, wie elementar diese Arbeit für jede Gesellschaft ist. Trotz der Einstufung dieser Tätigkeiten als „systemrelevant“ arbeiten die Frauen* immer noch schlecht bezahlt und unter immer schwierigeren Arbeitsbedingungen. Zudem haben viele Frauen* in diesen Berufen keine deutsche Staatsbürgerschaft und werden bis zu 44% schlechter bezahlt werden als ihre deutschen Kolleg*innen. Krankenpflegerinnen* und Verkäuferinnen* sind jetzt einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Schutzausrüstung steht oft nur unzureichend zur Verfügung. Es fehlt die Zeit sich die Hände zu desinfizieren, während sich die Überstunden anhäufen. Während jetzt alle „Danke“ sagen, werden die ökonomischen Folgen der Corona-Krise für Frauen* kaum thematisiert, obwohl sie besonders schwer ausfallen: Frauen* arbeiten überdurchschnittlich oft in Teilzeit, befristet und prekär angestellt, in der Gastronomie, im Einzelhandel, in Friseursalons. Diese Frauen* fürchten jetzt besonders um ihre Jobs. Und wer schon vor Corona an der Niedriglohnschwelle verdient hat, kann mit einem Kurzarbeitsgeld von 60% keine Miete mehr zahlen.
• Jede vierte Frau hat körperliche und sexuelle Gewalt durch ihren (Ex)Partner erfahren, die Hälfte lebt mit dem Täter zusammen. Jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex)Partner getötet. Diese Zahlen häuslicher Gewalt steigen in der erzwungenen Isolation weiter an. Es gibt jetzt schon zu wenig Frauen*hausplätze. Nach der Istanbul-Konvention fehlen in Deutschland 15.000 Frauen*hausplätze. Es gibt bundesweit gerade einmal 6.800 Frauen*hausplätze. Das ist weniger als Eindrittel der durch die Istanbul-Konvention geforderten 21.400 Plätze. Es braucht jetzt kurzfristig mehr Frauen*hausplätze! Wir fordern daher, dass die Städte jetzt leerstehende Hotelzimmer für Frauen* in Not anmieten!
• Schwangerschaftsabbrüche sind noch immer im Strafgesetzbuch geregelt: Ein Abbruch ist nur in den ersten zwölf Wochen und nach einer Zwangsberatung legal. Ärzt*innen, die einen Abbruch durchführen gibt es immer weniger. Oft liegt die nächste Praxis bis zu 200 km entfernt. Diese Bedingungen kriminalisieren Frauen*, die einen Abbruch vornehmen und sie werden jetzt zu kaum mehr überwindbaren Hindernissen, da es schon schwer ist überhaupt einen Termin bei einer Frauen*ärzt*in zu bekommen. Viele Frauen* bringt das in existenzielle Not, sind suizidgefährdet oder greifen zu gefährlichen Abtreibungsmethoden. Frauen* mit wenig Geld sind hier besonders betroffen, da sie durch die Schließungen der Krankenkassen viel länger auf die Erklärungen zur Kostenübernahme warten müssen. Nicht zuletzt, weil die Zahl an häuslicher Gewalt zunimmt, ist jetzt auch damit zu rechnen, dass ungewollte Schwangerschaften zunehmen werden. Schwangerschaftsabbrüche müssen endlich als normale medizinische Eingriffe anerkannt werden. Medikamentöse Abbrüche zu Hause müssen endlich zugelassen werden! §218 und §219 StGB ersatzlos streichen!
Mit einem Aktionstag am 18.04. wollen wir in unseren Fenstern und online auf diese katastrophalen Umstände aufmerksam machen:
Der Corona-Virus macht uns krank, aber diese kapitalistischen und patriarchalen Verhältnisse zerstören unser Leben!
Wir kämpfen gemeinsam für eine solidarische Welt!
Setzt ein Zeichen und hängt am Samstag 18.04. ein Transparent oder Schild mit euren Forderungen von euren Balkonen und aus euren Fenstern: Macht Fotos davon, postet diese auf euren Social Media Kanälen mit #jetzterstrecht und schickt sie bis 14 Uhr an aktion-frauen@riseup.net.
Kommt mit uns ab 15 Uhr auf eine Online-Demoroute:
- Die Folgen der Corona-Krise nicht auf unserem Rücken abwälzen!
- Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit! Aufwertung der systemrelevanten Berufe!
- Sorgearbeit gerecht verteilen!
- Stoppt die Gewalt gegen Frauen*!
- Sofortige Bereitstellung von mindestens 15.000 zusätzlichen Frauen*hausplätzen!
- Für legale, sichere und kostenfreie Schwangerschaftsabbrüche!
Was bisher galt, gilt jetzt erst recht!
#KeineMehr #FreeSafeLegal #EqualPay #CareRevolution #Frauenstreik #ichstreike8m #nichtaufunseremrücken