TVöD 2023 – Hoffnungsschimmer oder Trostpflaster?

Tarifverhandlungen erfüllen verschiedene Rollen. Sie können befriedend wirken in einer Sozialpartnerschaft, sie können aber auch Kampferfahrung und Klassenbewusstsein stärken. Der diesjährige TVöD war angesichts der Inflation seit 2022 und der Bedeutung des Tarifvertrags mit ca. 10 Mio direkt und indirekt Betroffenen von besonderer Bedeutung. Wir wollen hier einen kurzen Rückblick auf die diesjährige Runde im öffentlichen Dienst geben und unser Fazit zum Ergebnis und dem Verlauf ziehen.

Forderungen und Ergebnis

Im Vergleich zur letzten Runde ist der höhere Sockelbetrag von 500 € auffällig. Das wäre vor allem den unteren Einkommen zugute gekommen. Der geforderte Sockelbetrag war 2020 noch 150 €. Alle anderen Forderungen von 2020 wurden einfach knapp verdoppelt. Die soziale Komponente wurde also stärker betont, weshalb sich die Arbeitgeber:innen massiv dagegen gewehrt haben. Anders als beim Tarifabschluss für die Häfen 2022 gab es keine Forderung nach einem Sonderkündigungsrecht. Das hätte es bei anhaltender oder wieder steigender Inflation die Möglichkeit bedeutet erneut streiken zu können und so Reallohnverluste auszugleichen.

Im Ergebnis findet sich die steuerfreie „Inflationsausgleichszahlung“ (Einmalzahlung von 3000 €), die eigentlich verhindert werden sollte. Dieses Geld kommt nicht auf einmal, sondern in Form einer Einmalzahlung und acht Monatszahlungen á 220 € bis Februar ’24. Erst ab März ’24 wird das monatliche Gehalt tabellenwirksam (1) erhöht, nämlich um mindestens 200 € und zusätzlich 5,5%. Effektiv beträgt der Sockelbetrag 340 €, da eine Klausel verhandelt wurde, dass bei den unteren Gehältern bei denen 200 € und 5,5% zusammen nicht mindestens 340 € ergeben das Gehalt um diese Summe erhöht wird. Für Azubis, Praktikant:innen und Dual-Studierende gibt es von der Einmalzahlung jeweils nur die Hälfte, ab März 2024 monatlich 150 € mehr. Übernahmeregelungen und Altersteilzeit wurden nicht verlängert.

Fazit

Positiv ist der Sockelbetrag von mindestens 340 €. Davon profitieren vor allem die Kolleg:innen der unteren Entgeltgruppen, die auch besonders stark von der Inflation betroffen sind. Das war es aber schon mit den positiven Aspekten, denn: Weder die Einmalzahlungen, noch die späte Lohnerhöhung reichen aus, um den Auswirkungen der Inflation etwas entgegenzusetzen. Besonders die Einmalzahlungen könnten zwar  kurzfristige hilfreich sein, fließen aber nicht in die Rentenversicherung mit ein. Außerdem werden sie nur anteilig nach der Arbeitszeit ausgezahlt, d.h. Kolleg:innen, die wegen Elternzeit oder längeren Krankheiten nur wenig oder gar nicht arbeiten, haben von diesem Geld nichts. Das Ergebnis der Auseinandersetzung bleibt aber nicht nur bei den Prozenten hinter den Forderungen zurück. Die lange Laufzeit des Vertrages bedeutet, dass der Inflationsausgleich von einem auf zwei Jahre gestreckt wird, in denen die Preise nicht aufhören werden zu steigen.

Die steuer- und abgabenfreien Einmalzahlungen bis zu einer Höhe von 3000 € hat die Ampel-Regierung bereits letztes Jahr auf den Weg gebracht, zusammen mit Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften. Das offen erklärte Ziel ist es, dadurch hohe Lohnforderungen zu verhindern. Dagegen sagen wir: Der Staat hat sich nicht in unseren Kampf um bessere Löhne einzumischen. Gewerkschaften, die als der verlängerte Arm der Regierung auftreten verfehlen ihre Aufgabe als Kampforganisationen der Arbeiter:innen und spielen nur eine befriedende Rolle in der Sozialpartnerschaft.

Die Gewerkschaften sind ein umkämpftes Feld und bereits in dieser Tarifrunde haben ca. 1/3 der Mitglieder gegen das Schlichtungsergebnis gestimmt. Der nächste notwendige Schritt ist, auf die neue Stärke von über 75 000 neuen Mitgliedern gute gewerkschaftliche Strukturen in den Betrieben aufzubauen. Es braucht in Zukunft eine offensive Streikpolitik, die es diesmal in Ansätzen gab und die deutlich über eintägige Warnstreiks hinausgeht.

Der Erzwingungsstreik darf nicht nur eine Mobilierungsparole sein, sondern muss genutzt werden, um unsere Forderungen durchzusetzen. Dafür braucht es auch eine demokratischere Streikvorbereitung und Umsetzung. Es gibt aber auch Kräfte in den Gewerkschaften, die all das nicht wollen. Uns bleibt nur übrig, uns zu organisieren und um unsere Gewerkschaften zu kämpfen, damit wir für die kommenden Kämpfe bereit sind.

(1) D.h. Diese Erhöhungen bleiben langfristig und werden auch auf die Rente angerechnet.