Wer den Laden am Laufen hält
Während des Lockdowns der Corona-Pandemie wurde deutlich, welche Berufe unbedingt gesellschaftlich notwendig sind, ohne die hier gar nichts mehr läuft. Das sind unter anderem die Beschäftigten des Gesundheitsbereichs und der Sozial- und Erziehungsberufe, die Müllwerker*innen, dem öffentlichen Nahverkehr und dem Einzelhandel. Während des Lockdowns haben viele an den Fenstern für sie geklatscht, ihnen für ihren Einsatz gedankt und Politiker*innen und Medien mussten anerkennen, dass diese Berufe besser gestellt und bezahlt werden müssten. Denn es ist mehr als deutlich geworden, dass gerade in den Branchen, die gesellschaftlich notwendige Bereiche abdecken, schlechte Arbeitsbedingungen herrschen. Der Lohn ist niedrig, die Arbeitszeiten sind sehr lang und da generell zu wenig Leute in diesen Berufen arbeiten, ist die Belastung hoch.
Was bleibt von dem Geklatsche?
Die meisten der gesellschaftlich notwendigen Berufsgruppen gehören zum öffentlichen Dienst. Im Herbst 2020 finden die Verhandlungen für den neuen Tarifvertrag statt. Die Gewerkschaften, als Vertretung der Arbeitnehmer*innen, verhandeln mit den Arbeitgeber*innen über die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Im öffentlichen Dienst sind die Arbeitgeber*innen die Kommunen. Wer die Lobpreisungen aus der Politik, also auch aus den Kommunen, nicht von vorne herein als Lippenbekenntnisse erkannt hat, der hätte jetzt vielleicht einen Funken Hoffnung gesehen, dass die bekundete Solidarität nicht nur hohles Geschwätz war. Aber Pustekuchen: der Bitte der Gewerkschaften, den anstehenden Tarifkampf doch auf das Frühjahr 2021 zu verschieben, bis absehbar ist wie die Pandemie verlaufen wird, kamen die Kommunen nicht nach. Mehr noch: sie kündigten eine Null-Runde an. Das bedeutet konkret: keine Lohnerhöhungen, maximal Inflationsausgleich.
Weg mit den miesen Arbeitsbedingungen
Dass man von Applaus und Blumen keine Miete zahlen kann, können einem alle bestätigen,die in der Pflege, im Sozialen Bereich oder im Einzelhandel arbeiten. Aber nicht nur dieser Aspekt treibt die Beschäftigten jeden Tag um. Es sind auch andere Faktoren der Arbeitsbedingungen, die diese Bereiche zu teils unwürdigen Arbeitsplätzen machen. Zu lange Arbeitszeiten, zu kurze Pausenzeiten, ständige Dienstplanänderungen, Doppelschichten und Personalmangel sind an der Tagesordnung. Das Anheben der Schichtzeiten auf 12 Stunden im Gesundheitsbereich während der Pandemie-Hochphase ist nach wie vor nicht wieder rückgängig gemacht worden. In dieser Tarifrunde werden diese Bedingungen nicht verhandelt, dennoch gilt es in diesem Arbeitskampf auch für Forderungen zu kämpfen, wie die 30-Stunden-Woche bei vollem Personal- und Lohnausgleich.
Die Reichen zur Kasse
Es ist blanker Hohn, dass für all diese Forderungen der Beschäftigten kein Geld da sein soll. Wer in den vergangenen Monaten verfolgt hat, wem die Politik Rettungsschirme zugeschanzt hat, kann bei den Milliardensummen schon schwindelig werden. Den Konzernen wie BMW, Lufthansa und TUI wurden die Scheine hinterher geschmissen, wo doch die Eigentümer*innen auf Riesenvermögen sitzen und selbst dafür hätten sorgen können, die Arbeitsplätze in ihren Unternehmen zu sichern. Und trotz der Rettungspakete stehen Massenentlassungen und Einsparungen auf dem Plan. Beispielsweise erhielt die Lufthansa 9 Milliarden staatlicher Zuschüsse, stieß gleichzeitig aber das Tochterunternehmen Germanwings mit 1 400 Mitarbeiter*innen ab. In 8 Prozent der Unternehmen sind Entlassungen geplant, in diesen Unternehmen wird knapp die Hälfte der Belegschaft betroffen sein. In den vergangen Monaten wurden 10,8 Millionen Beschäftige in Kurzarbeit geschickt und müssen mit teilweise nur 60 Prozent ihres regulären Einkommens leben. Und selbst dieser Anteil des Lohns wird vom Staat übernommen. Das heißt, dass den Konzernen in dieser Zeit kaum Kosten für die Gehälter entstanden sind, da diese dann über unsere Sozialversicherungszahlungen beglichen werden. Es liegt im Ermessen des Betriebes, ob und in welcher Höhe die Gehälter aufgestockt werden. Trotzdem schütten die großen Konzerne massiv an Dividenden aus, BMW zum Beispiel konnte 1,6 Milliarden an die Aktionär*innen auszahlen.
Solidarisch streiken, kämpfen und enteignen
Gerade in Krisenzeiten bekommen die Lohnabhängigen deutlich zu spüren, wie dieses System funktioniert. Dass es nicht nach ihren Wünschen und Bedürfnissen organisiert ist und ihnen keine Sicherheit bietet. Tausende werden ihre Jobs verlieren, obwohl sie durch das Eigentümervermögen gehalten werden könnten. Die Arbeitskämpfe um gute Arbeitsbedingungen verschärfen sich. Die Politik predigt, dass alle sich nur zusammenreißen und den Gürtel enger schnallen müssen, um durch diese Krise zu kommen. Wir sagen entschieden Nein. Wir müssen uns dagegen wehren, dass diese Krise auf unserem Rücken ausgetragen wird. Und mehr noch: wir müssen für eine Gesellschaft kämpfen, die sich nach unser aller Bedürfnissen richtet und nicht nach dem Profit für einige Wenige. Es kann nicht sein, dass in Deutschland auf der Grundlage von Ausbeutung 30 Prozent des Vermögens in Händen des reichsten einen Prozent liegen. Was wir brauchen, ist eine wirklich solidarische Gesellschaft, in der Gesundheit keine Ware ist, sondern alle die medizinische Behandlung bekommen, die sie benötigen. Eine Wirtschaft, die nachhaltig am Menschen orientiert ist und nicht zur zwangsläufigen Umweltzerstörung führt, in der unsere sozialen Interessen nicht hinter denen der Konzernchefs anstehen. Das heißt: Unternehmen, Ressourcen und Reichtum dürfen nicht in Privatbesitz bleiben, sondern müssen unter demokratische gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden. Es ist nicht naturgegeben, dass wir ausgebeutet werden und um unsere Existenzen bangen müssen. Wenn wir uns als Lohnabhängige über die Branchen hinweg zusammenschließen und uns mit allen streikenden Kolleg*innen solidarisieren, können wir eine Kampfansage an dieses System richten. Es lohnt sich für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der ein wirklich solidarisches Miteinander möglich ist.