In der dritten Verhandlungsrunde des TV-L kam es zu einer Einigung zwischen den Gewerkschaften und den Ländern. Vereinbart sind Inflationsausgleichszahlungen bis November 2024 und anschließend eine Lohnerhöhung um 200€ brutto. Ab Februar 2025 gibt es eine weitere Erhöhung um 5,5%, wobei beide Erhöhungsschritte mindestens 340€ brutto betragen müssen. In den kommenden Wochen wird die Einigung diskutiert und eine Mitgliederbefragung in den Gewerkschaften durchgeführt. Die gewerkschaftlichen Verhandlungsführer:innen loben den Abschluss in höchsten Tönen. Wir wollen im Folgenden einen kritischen Blick auf den Abschluss werfen.
Von einigen positiven Ansätzen…
Positiv ist, dass wie schon beim TvöD ein Sockelbetrag von 340€ enthalten ist, der niedrige Gehälter verhältnismäßig stärker ansteigen lässt. Insgesamt gleicht das Ergebnis dem TVöD fast aufs Haar, wodurch die Schere im öffentlichen Dienst erstmal nicht weiter aufgegangen ist. Darauf müsste man nun aufbauen und stärker werden. Doch die Frage ist, ob das mit der aktuellen Strategie der Gewerkschaftsführung funktionieren kann.
Es erscheint so, als ob das Ergebnis von der Landespolitik gewollt war und von der tatsächlichen Kampfkraft der Streiks entkoppelt wurde. Denn die überraschend große Beteiligung an den Streiks war natürlich auch eine sehr positive Entwicklung, sie wurde aber durch das frühe abwürgen der Streiks schlecht genutzt. Man wird den Grad der Organisierung im TV-L nicht steigern können, wenn aufkommende Dynamiken (über 10.000 Kolleg:innen beim Großstreik am 05.12. in München!) nicht vorangetrieben werden.
… und Schwächen dieser Tarifrunde
Schon die Einstiegsforderungen waren viel zu niedrig. Reallohnverluste werden derzeit schon im Vorhinein von Tarifrunden akzeptiert. Auch mit den verlangten 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro, hätte die Explosion der Lebenshaltungskosten in den letzten zwei Jahren nicht annähernd ausgeglichen werden können. Insbesondere nach der Nullrunde 2021.
Natürlich ist auch wieder die steuerfreie „Inflationsausgleichsprämie“ Teil des Ergebnisses. Die Möglichkeit bis zu 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei auszubezahlen wurde von Anfang an von der Regierung eingeführt, um ordentliche Tarifabschlüsse zu verhindern. Diese Auszahlungen sind nicht tabellen- und auch nicht rentenwirksam. Die Inflation wird kurzzeitig abgefedert, um langfristige Reallohnverluste durchzubringen. Beschäftigte in Teilzeit erhalten die Prämie nur anteilig, obwohl sie natürlich trotzdem zu 100% von der Inflation betroffen sind. Insbesondere Frauen sind öfters in Teilzeitbeschäftigungen und damit ist der Abschluss für sie noch beschissener. Tabellen- und rentenwirksame Erhöhungen kommen erst ab November 2024. Dazu kommt die lange Laufzeit von 25 Monaten.
Für studentische Beschäftigte fällt die „Einigung“ noch schlechter aus. Zum Sommersemester werden Mindestentgelte in Höhe von 13,25 Euro/Stunde festgelegt, die zum Sommersemester auf 13,98 Euro/Stunde erhöht werden. Den angestrebten Tarifvertrag (TVStud) gibt es nicht.
Fazit
Geld für Aufrüstung und deutsche Kapitalinteressen ist vorhanden, aber an Krankenhäusern, Schulen, Unis, öffentlicher Verwaltung etc. wird gespart. Es wird höchste Zeit, dass wir uns gegen den Klassenkampf von oben verstärkt organisieren und unsere eigene Seite aufbauen. Die Gewerkschaften spielen dabei eine wichtige Rolle, sind derzeit aber in der Sozialpartnerschaft verhaftet und auf Kuschelkurs mit der Regierung.
Wir müssen aber um unsere Gewerkschaften kämpfen, um tatsächliche Kampfkraft für kommende Auseinandersetzungen aufzubauen. Dort wo wir arbeiten oder studieren, müssen wir in den jeweiligen gewerkschaftlichen Strukturen aktiv werden. Darüber hinaus braucht es politische Organisierung und wo immer es geht, sollten wir die klassenkämpferischen Kolleg:innen in den Gewerkschaften und Betrieben unterstützen.
Allein machen sie uns ein. Auch das aktuelle Angebot ist ein Ergebnis der Dynamik auf der Straße, sonst wäre es wohl noch schlechter geworden. Die Mitgliederbefragung der Gewerkschaften läuft bis Mitte Januar und wir werden sehen, ob die Kolleg:innen im TV-L das Ergebnis annehmen. In jedem Fall gilt aber: Nach dem Streik ist vor dem Streik!
Nachtrag zur Rolle der GdP
Bereits in unseren Berichten zu den Streiktagen haben wir auf die negative Rolle der GdP hingewiesen. Grundsätzlich bleibt nochmal festzuhalten: Polizei raus aus der Gewerkschaft! Die Polizei ist historisch dazu geschaffen worden, Menschen in die Lohnarbeit zu disziplinieren. Sie haben nichts in Gewerkschaften zu suchen. Erst letztes Jahr griff die Polizei den Streik der Hafenarbeiter:innen in Hamburg an und je mehr sich Klassenkämpfe zuspitzen, desto deutlicher wird sich die Polizei als unser Gegner zeigen.