Erste rechtliche Einschätzung zur bayr. Ausgangsbeschränkung

Schon am ersten Tag der Ausgangsbeschränkung hat die Münchner Polizei nach eigenen Angaben 5.300 Überprüfungen durchgeführt und dabei 160 Verstöße dagegen festgestellt. In 133 Fällen wurden Anzeigen geschrieben. Polizei und Feuerwehr fahren durch die Straßen und warnen vor „harten Strafen“.
Raum für jede Menge fragen also: Was darf man noch? Wie teuer wird ein Verstoß und ist die Ausgangsbeschränkung überhaupt rechtmäßig? Und wie soll ich mich bei Kontakt mit der Polizei verhalten?

Was darf man noch?

Das Bayerische Gesundheitsministerium hat am 20.03.2020 eine als „Ausgangsbeschränkung“ bekannte Allgemeinverfügung erlassen. Darin wird unter anderem angeordnet, dass Menschen einen Mindestabstand einzuhalten haben, Gastronomiebetriebe untersagt werden, der Besuch von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen verboten wird und vor allem, dass das Verlassen der eigenen Wohnung nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt ist.

Triftige Gründe sind in der Verfügung einige genannt: Die Ausübung des Berufs; der Gang zum Arzt; Einkaufen für den täglichen Bedarf; Besuche bei Lebenspartnern, Kranken und Alten; Sport alleine oder mit Mitbewohnern und Gassigehen (Die ganze Verfügung findet ihr hier: https://www.stmgp.bayern.de/wp-content/uploads/2020/03/20200320_av_stmgp_ausgangsbeschraenkung.pdf).
Die Aufzählung ist aber nicht abschließend, triftige Gründen können auch andere sein, die nicht ausdrücklich genannt sind. So kann zum Beispiel der Gang zum Anwalt, wenn eine Frist abläuft, ebenso notwendig sein und dürfte auch in jedem Fall von der Ausnahme gedeckt sein.

Wie teuer wird ein Verstoß?

„Hart bestraft“, wie es in München durchgesagt wurde, klingt erstmal als würde ein Strafverfahren bei Verstößen eingeleitet. Auch etwas die Berliner Morgenpost berichtet davon, ein Verstoß gegen die Ausgangssperre sei eine Straftat. Das ist schlicht falsch.
Zwar ist nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein Verstoß gegen eine Anordnung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG strafbar, aber dieser Paragraf betrifft andere Fälle als in der Allgemeinverfügung geregelt. Da geht es vielmehr um kurzfristige Maßnahmen, etwa dass jemand einen Ort nicht betreten oder verlassen darf, weil dort gerade Schutzmaßnahmen durchgeführt werden. Eine Ermächtigung für eine allgemeine Ausgangssperre enthält die Vorschrift nicht. Diese kann sich, wenn überhaupt, nur auf § 28 Abs. 1 Satz 1 stützen und der Verstoß dagegen ist eine Ordnungswidrigkeit.
Anders liegt der Fall, wenn jemand vom Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt wurde. Wer dagegen Verstößt begeht eine Straftat nach dem Infektionsschutzgesetz. Wer weiß, dass er oder sie infiziert ist, und trotzdem den Kontakt zu anderen sucht macht sich außerdem ggf. der versuchten gefährlichen Körperverletzung strafbar.

Ist die Ausgangsbeschränkung überhaupt rechtmäßig?

Unabhängig von diesen Fragen stellt sich eine ganz grundsätzliche: Kann man nach dem Infektionsschutzgesetz überhaupt eine Ausgangssperre erlassen? Ich habe bereits oben geschrieben, dass das Infektionsschutzgesetz eigentlich konkrete Maßnahmen für konkrete Infektionsherde beschreibt. Es bestehen daher erhebliche Zweifel daran, ob diese Allgemeinverfügung überhaupt rechtmäßig ist. Erste Artikel in Fachpublikationen (wie z.B. von PD Dr. Alexander Thiele bei lto.de) sprechen sich dagegen aus.

Und wie soll ich mich bei Kontakt mit der Polizei verhalten?

Was heißt das für Euch? Die Polizei hat nach der Allgemeinverfügung das Recht zu kontrollieren, ob jemand einen triftigen Grund hat draußen unterwegs zu sein. Darauf sollte man vorbereitet sein. So wie ich das heute gesehen habe, kontrolliert die Münchner Polizei zumindest stichprobenartig auch Autos in denen mehrere Personen mitfahren. Auch in einem Auto mitfahren ist natürlich nicht verboten, solange jeder einen triftigen Grund hat die Wohnung zu verlassen (der gleiche Grund muss es nicht sein).
Wenn die Polizei zu erkennen gibt, dass sie euch nicht glaubt, dann habt ihr natürlich das Recht die Aussage zu verweigern und solltet das auch tun. Seid Ihr zu Hause und die Polizei klingelt, dann braucht ihr natürlich gar nichts zu erklären. Weder wer in der Wohnung ist, noch aus welchem Grund. Auch eine Hausdurchsuchung dürfte im Regelfall ausgeschlossen sein, wie oben dargelegt handelt es sich nur um eine Ordnungswidrigkeit gegen die Ausgangsbeschränkung zu verstoßen und die Polizei ja auch einen konkreten Verdacht braucht und eine solche Durchsuchung anzuordnen.
All das soll nicht dazu motivieren jetzt große Partys zu feiern. Ich bin kein Virologe, aber „social distancing“ scheint notwendig um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Die bayerische Polizei nutzt aber offenbar die Allgemeinverfügung aus und kriminalisiert, unterstützt von übermotivierten Bürgerinnen, alltägliches Verhalten von dem keine Gefährdung ausgeht. Frei nach dem Motto: Im Edeka an der Kasse arbeiten darfst du, abends deine Freunde treffen nicht (Siehe dazu den Polizei-Pressebericht vom 22.03.).
Wen das trifft ist klar: ArbeiterInnen, die sich keine großen Wohnungen leisten können, MigrantInnen, die sowieso schon im Fadenkreuz der Polizei stehen und Menschen die es aufgrund ihrer Psyche einfach nicht aushalten alleine zu sein.
Deshalb versteht die obigen Tipps als Hilfe für „mündige Bürger“ selbst zu entscheiden, was ein triftiger Grund ist die Haustür zu verlassen und lasst euch nicht einschüchtern. Gegen jeden Bußgeldbescheid, der wegen dieser Verfügung ergeht lohnt es sich Einspruch einzulegen.
Rechtsanwalt Mathes Breuer
Fachanwalt für Strafrecht
23.03.2020